...ist ein Kunstprojekt, bei dem Künstler*Innen aus aller Welt zu den Themen Liebe, Flucht und Grenzüberschreitungen gemeinsam ausstellen. Kuratiert wird das Projekt von Marie Lienhard
13.März 2020
Finissage der Ausstellung WEITERHIN im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus Stuttgart
Konzept deutsch
WEITHIN und WEITERHIN sind die beiden Titel der zweiteiligen Ausstellungreihe, die 2019 – 2020 im Stuttgarter Kulturkabinett stattfindet. Sie impliziert etwas Örtliches wie etwas Zeitliches, eine Dauer und eine Distanz, einen Zwischenraum und eine Aussicht – aber für und von und auf was?
Ausgehend von der Tatsache, dass das Thema Flucht oft in der zeitgenössischen Kunst- und Kulturlandschaft bearbeitet wird, teilweise auch in Zusammenarbeit mit Geflüchteten, sich aber in den Realisierungspositionen verhältnismäßig wenig Kunstschaffende mit persönlichen Fluchthintergründen finden, initiierte die Künstlerin Marie Lienhard das Projekt Internationalising!. Als Kuratorin schaffte sie hierfür gemeinsam mit dem Kulturkabinett keine reine Begegnungs-, Förderungs- und Vernetzungsplattform für Künstler*innen mit Fluchterfahrung, sondern einen Schmelztiegel für in Stuttgart schaffende Kreative aus aller Welt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Vernetzung regionaler, etablierter und die Kulturszene aktiv gestaltender Kunst- und Kulturschaffender mit vielversprechenden Talenten, die nach einem teilweise beschwerlichen Weg vor Allem das gemeinsame Ziel verfolgen, (endlich)(wieder)(frei) Kunst zu machen. Unterstützt durch die Kulturförderung der Stadt Stuttgart soll hiermit auch die Bekanntmachung und Erweiterung von Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten für den Künstler*innenberuf geschaffen werden.
Dieses Ziel war die Basis, der durch dieses Projekt zusammengebrachten Künstler*innengruppe, die im sensiblen Austausch Themen und Fragestellungen für das gemeinsame Ausstellungsvorhaben entwickelte. In diesem von Aufmerksamkeit und Neugierde geprägten Prozess wurden viele Gemeinsamkeiten von Kunstverständnis und Möglichkeiten kultureller Interventionsräume gefunden. Jedoch wurden auch ganz individuelle und kulturell-strukturelle Unterschiede und Prägungen herausgearbeitet. Wo sind die Grenzen zwischen Alltag und Bühne? Zwischen Bühne und Ausstellungsraum? Gibt es ein global gültiges Kunstverständnis? Ein Klassisches? Ein Kanonisches? Schaffen Zeitgenossen Zeitgenössisches? Und negieren sich universale Kulturgüter? Kollektive ästhetische Theorien? Wo liegen ihre Grenzen, und wie und von wem werden diese definiert? Oder ist Kunst im Allgemeinen doch viel zu subjektiv, um es als Gruppe jeder Art greifen zu können?
Jedoch scheinen es dieselben Fragen, Unsicherheiten und Wünsche im eigenen Werk, im künstlerischen Arbeiten und Ausstellen zu sein, die Künstler*innen überall ähnlich stark umtreiben.
Die Künstler*innen aus sieben Ländern Waed Alhajj, Havin Al-Sindy, Felix Beck, Faruq Hussaini, Abdulsalam Idlebi, Justyna Koeke, Stephan Köperl, Shana Levy, Simon Pfeffel und Moujan Taher wurden sich gemeinsam mit der Kuratorin Marie Lienhard hierbei schnell einig: Um Flucht und den Status, die sie Menschen auferlegen will, geht es in dieser Ausstellung nicht vorrangig – und trotzdem haben Themen daraus, wie Schmerz und Verlust, Grenzen, Entgrenzung und Heimat, Hoffnung und Flucht die Inhalte der Prozesse aller Teilnehmenden berührt, da sie, im Großen wie im Kleinen, alle Menschen betreffen. Im Austausch entstand ein gemeinsamer Experimentier- und Diskussionsraum, in dem sich die individuellen künstlerischen Positionen entwickeln oder einfügen konnten, sich gegenseitig in ihren Themen beflügelten, verbanden oder abgrenzten.
Für die Vielschichtigkeit und Mehrsprachlichkeit der Texte begleitete die Künstlerin und Autorin Shana Levy das Projekt, die gemeinsam mit weiteren Textproduktionen von der syrischen Autorin Rahaf Eischoue von Literally Peace, a transcultural dialogue ins Arabische übersetzt wird. Die Gestaltung dieses Online-Katalogs wie auch die fotografische Dokumentation der Ausstellung wurde von Sven Weber umgesetzt.
In den vielfältigen Medien Performance, Installation, Malerei, Plastik, Video und Literatur zeigen die Ergebnisse die Vielfältigkeit der entstandenen Werke und Blickwinkel der Künstler*innen.
WEITHIN und WEITERHIN haben mit den weiten Wegen der ausstellenden Künstler*innen zu tun, ob räumlich oder künstlerisch oder beides –denn weit haben sie es bis hier hin alle geschafft. Weit hin scheinen manchmal die Momente, auf die sie ihre Wünsche setzen und weiterhin ist die Richtung, die sie antreibt – ob es davor ein weg war und vor was ergründet jede einzelne Arbeit. Das Ausstellungsprojekt hat viele neue Fragen aufgeworfen, viele neue Erkenntnisse und ein erweitertes Verständnis für interkulturelle sowie transkulturelle Kunstanliegen bewirkt. (Text von Shana Levy)
Konzept persisch
Konzept arabisch
Marie Lienhard, verantwortlich für das Ausstellungskonzept sowie Produktion und Kuration.
In Frankreich geboren und sowohl dort als auch in England in einem sehr freien, künstlerischen Umfeld aufgewachsen, haben Marie Lienhards zahlreichen Reisen und Wege sie an die Kunstakademie Stuttgart geführt, an der sie bis 2018 studierte. Seither hat die unermüdliche Künstlerin und Kuratorin an internationalen Gruppen-und Einzelausstellungen teilgenommen, zahlreiche Vorträge (z.B. TED Talks) gehalten und Kooperationen und Projekte auf die Beine gestellt: Immer geht es ihr hierbei um Vernetzung und den Austausch kreativer Prozesse – ob mit den Betrachter*innen ihrer Werke oder in Zusammenarbeit mit Gleich- und Andersgesinnten. Neben dem internationalen Netzwerken ist sie in der Region Stuttgart sehr aktiv. Mit Internationalizing! setzt sie genau hier an der Beobachtung an, dass es zwar ein breites Kulturangebot für Menschen mit Fluchterfahrung gibt, diese aber zu selten als handelnde Akteur*innen und Expert*innen im kulturellen Miteinander angesprochen werden. Gezielt hat sie spannende Künstler*innenpersönlichkeiten mit und ohne Fluchterfahrung aufgrund deren Arbeitsweisen und Projekte zusammengebracht, Verbindungen aufgezeigt und den Prozess der Gruppenarbeit begleitet, unterstützt und angeregt. Der in Zusammenarbeit mit dem Kulturkabinett e.V. entstandene Ausstellungrahmen bietet den sehr unterschiedlich arbeitenden Kulturschaffenden der Gruppe Raum und Bühne für ihre Profession, für Proben und Experimente. Zudem hat Marie Lienhard ihr eigenes Atelier als Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, sowie in zahlreichen Atelierbesuchen der Künstler*innen vor Ort deren Schaffensprozesse begleitet. Schwerunkt waren Gespräche über die künstlerischen Arbeitsmöglichkeiten in Stuttgart, sowie die Einordnung des eigenen Schaffens in den regionalen bis internationalen zeitgenössischen Kontext und Konsens. Hier und in den Gruppentreffen wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede kultureller Prägungen im Bezug auf künstlerische Freiheit und Auffassungen diskutiert und zu gegenseitigen Erkenntnissen verdichtet. Obwohl die eigene künstlerische Arbeit und Intention immer wieder in die Gespräche mit einfloss, konzentrierte sie sich auf ihre Rolle als Kuratorin und Organisatorin in diesem Projekt und stellt selbst nicht aus.
In ihren eigenen Arbeiten stellt sie die Grenzen des visuell Erfahrbaren, der Logik und der physikalischen Gesetze wieder und wieder in Frage: Ihre Arbeiten im Bereich Fotografie, Video, Zeichnung, Virtual Reality und Objekt erfragen die Elastizität des Seh-Verhaltens der Betrachter*innen – ob explizit mit Phänomenen im optischen Bereich verhandelnd oder mit gesellschaftsrelevanten Ansichten.
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